Was sie anders machen. Wie Deutsche uns verblüffen

Es ist ein Beitrag von russischen Autoren, wie sie uns Deutsche sehen. Diese subjektive Wahrnehmung muss nicht hundertprozentig mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Aber sie ist unterhaltsam und lehrreich.

Ein anderes Land ist immer für eine oder andere Überraschung gut, es kann einen durcheinander bringen, empören oder auch erfreuen, wenn sich Bräuche, Gepflogenheiten, Gesetze oder Ethik unterscheiden.

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Deutsche Wohnungen haben keine Doppeltüren

Um sich sicher zu fühlen, brauchen die Bundesbürger nur eine Tür. Früher war es in der UdSSR auch normal, jedoch begann man in den wilden 1990ern auf diesem Sechstel der Erde Behausungen vor Wohnungseinbrüchen zu schützen. Daher sind zum Beispiel Metalltüren in Russland eine ganz normale Sache. Und Wohnungen, die lediglich durch eine Holztür gesichert sind, gibt es praktisch nicht mehr.

Obwohl die Zahl der Wohnungseinbrüche in vielen Bundesländern und Berlin relativ hoch ist, wurden die Doppeltüren in deutschen Landen nicht zu einer verbreiteten Vorsichtsmaßnahme. Und die einfachen Türen werden normalerweise mit einem einzigen Sicherheitsschloss gesichert.

In Deutschland gibt es kein Geheul von Autoalarmanlagen

Wer in Deutschland neu ist, versteht erstmal nicht, was einem nachts fehlt. Es lässt sich tief und sorglos schlafen, aber etwas stimmt nicht… Die erhellende Antwort merkt man rasch: es ist kein Alarm auf der Straße zu hören! Einerseits respektieren die Deutschen Ruhe der Nachbarn: Sorgt man sich um sein fahrbares Eigentum, wird nach Unterbringungen gesucht, die nicht die Nerven von Mitmenschen strapazieren. Ohnehin ist die Lautstärke im öffentlichen Raum ziemlich stark reguliert.

Deutsche essen gerne unterwegs

Wisst Ihr noch, was man Euch in der Schule beigebracht hat: Kein Essen unterwegs oder beim Arbeiten! Denn das hastig verschlungene Mal könnte die Verdauung beeinträchtigen und zu Problemen im Magen-Darm-Trakt und beim Stoffwechsel führen. Aber anscheinend pfeifen die Deutschen auf diese Regel oder wissen gar nichts davon. In Deutschland ist es normal, eine Stulle, oder ein Brötchen, manchmal gar eine Nudelbox oder einen Fruchtbecher aus der Umhängetasche zu holen und all das zu sich zu nehmen, wenn man einem Vortrag lauscht oder in einer überfüllten U-Bahn fährt.

Vor den Läden stehen Trinknäpfe für Hunde

Ein Hund in Deutschland ist nicht einfach ein Freund des Menschen — er ist beinahe ein Mensch. Zumindest wird der Vierbeiner hier nicht schlechter behandelt als Kinder oder Rentner. Die Wünsche des heiß geliebten Tieres werden über die Maßen erfüllt, in Deutschland gibt es ganze Zoo-Supermärkte, in denen alles Notwendige und Überflüssige für die Lieblinge verkauft wird: von Futter über Spielzeug bis hin zu Decken, Schlafkörben und Hundehütten.

Aber zurück zum Wasser: Ausreichendes Trinken gehört in diesem Land zu einer gesunden Lebensführung, das gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Hunde. Trinknäpfe stehen von daher überall, nicht nur vor Ladeneingängen.

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Die Deutschen arbeiten langsam

Zumindest entsteht dieser Eindruck. Während die Deutschen ein Haus bauen, wird in Russland ein Wohngebiet und in China gar eine Stadt aus dem Boden gestampft. Die Frage ist nur, was zuerst einstürzt.

Sie haben sicher schon von der spanischen Unverbindlichkeit, vom Chaos der Mexikaner, von der Unpünktlichkeit der Araber oder der thailändischen Vergesslichkeit gehört. Über die Deutschen sagt man hingegen, dass sie pünktlich, ordentlich und pflichtbewusst sind. In Wirklichkeit entpuppt sich das Pflichtbewusstsein oft als Bürokratie, die in Deutschland nicht zu unterschätzen ist, und die Pünktlichkeit und die Ordnung … Was das ist, haben die Deutschen selbst anscheinend vergessen.

Wenn Sie einen Handwerker wegen eines undichten Ventils beauftragen, Möbel bestellen oder — um Gottes willen — Internet anschließen lassen, rechnen Sie mit einigen Wochen Wartezeit.

In Deutschland werden Plastikflaschen gesammelt

Ja, stellen Sie sich das mal vor: Eine Plastikflasche kostet 25 Cent. Rückgabeautomaten gibt es in jedem Supermarkt. Neben Plastik- und Glasflaschen können auch Bier- und Limo-Dosen aus Aluminium abgegeben werden. Eine Nuance: Auf der Flasche oder der Dose muss ein Recycling-Symbol stehen, ohne dieses Zeichen ist sie eine Einwegflasche und das Automat „spuckt“ sie wieder heraus.

Das eigene Äußere und das Aussehen anderer ist für Deutsche kaum von Bedeutung

Man gewöhnt sich schnell in Deutschland und besonders in Berlin daran, dass ein bunt bedruckter Bademantel als Jacke durchgehen kann und keiner einem einen Vogel zeigt. Solche Freaks sind hier genauso normal wie das Rauschen des Regens vor dem Fensterglas.

Die überwiegende Mehrheit der Deutschen macht sich nichts aus modischer Kleidung. Normalerweise hat man das Gefühl, dass sie gerade das tragen, was sie sich am Morgen im Halbschlaf aus dem Kleiderschrank herausgefischt haben: so „strange“ kann die Zusammensetzung der Kleiderstücke sein, die in Farbe, Schnitt und Material so gar nichts zueinander passen.

Dieses „antiglamouröse“ Äußere ist gar nicht so blöd. Ein entspanntes Verhältnis zum eigenen Aussehen ist ein klares Zeichen einer entwickelten demokratischen Gesellschaft, in der schon seit langem die Menschen nicht mehr nur nach dem Äußeren beurteilt werden.


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In Deutschland gibt es keine streunenden Katzen

Erblickt Ihr eine Katze in einer deutschen Straße, so seid Ihr entweder angeheitert oder wähnt Euch in Deutschland. Witz beiseite, aber sogar in Berlin findet man eher freilaufende Füchse, Kaninchen und gar Wildschweine, aber ganz selten eine Katze: die Katzen laufen nicht frei herum und leben nicht in Kellern. Alle „Miezen“ haben ihre Herrchen und Frauchen und sitzen gesittet zu Hause. Wird ein Kater herrenlos, kommt er sofort ins Tierheim, aus dem ihn aber schnell andere gutherzige Katzenliebhaber erlösen. Übrigens gibt es in Deutschland keine streunenden Haustiere – Grund dafür ist das Tierschutzgesetz, das eines der strengsten in Europa ist.

In Deutschland gibt es keine nach Lust und Laune verglasten Balkone

Im Land dürfen keine Balkone oder Terrassen nach Lust und Laune verglast werden. Wenn eine Verglasung vorgenommen wird, so wird das gleiche Modell für das gesamte Haus angewendet. Es sieht dann viel schöner und ordentlicher aus als im postsowjetischen Raum, in dem jeder nach Belieben handelt, weswegen die Häuserfronten den Eindruck hinterlassen, als ob die Gebäude Pocken hätten. In Deutschland leben die meisten Menschen zur Miete und die Fassade wird von Eigentümern und zahlreichen kommunalen Regelungen bestimmt.

In Deutschland wird viel öfter mit Blaulicht gefahren

Mancher Neuankömmling fühlt sich in Deutschland wie in einer Reality-Show über Rettungsdienste. Kaum außer Haus hört man schon eine Sirene: Polizei, Notarzt, Feuerwehr eilen stets zur Hilfe. Es scheint so, dass das Leben hierzulande gar nicht so ruhig und entspannt ist. Wahrscheinlich gibt es in Moskau auch nicht weniger Unfälle, die operative Dienste auf den Plan rufen. Dennoch sind die Sirenen nicht so oft zu vernehmen. Jedoch hat dies wahrscheinlich damit zu tun, dass die Rettungsdienste und die Polizei hier viel mehr Einsatzfahrzeuge haben.

In Deutschland schnäuzt man laut

Und zwar derart laut, dass manche unfreiwillig zusammenzucken und sich dadurch als Zugereiste sofort verraten. Wie dem auch sei, keiner würde den Ruhestörer dafür rügen, denn dies ist in Deutschland — total normal! Viele Bundesbürger haben das Gefühl, die Nase hochzuziehen, sei viel schlimmer und dazu ungesundIn Deutschland schnäuzt man laut.

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In Deutschland zahlt man eine „Fernsehsteuer“

Formell ist es keine Steuer, sondern eine Abgabe, aber sie ist sogar für diejenigen verpflichtend, die gar keinen Fernseher haben. Ein Schreiben von einer Institution mit dem langen Namen ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice kommt prompt. In dem Brief wird berichtet, dass Ihr von nun an verpflichtet seid, 17.50 EUR pro Wohnung monatlich an die deutschen „kostenfreien“ öffentlichen Sender zu zahlen, übrigens auch dann, wenn Ihr diese gar nicht anschaut. Sich davor zu drücken, ist nicht möglich und kann eine hohes Bußgeld nach sich ziehen.

Die Deutschen schenken Schauspielern keine Blumen

Diese Entdeckung wurde von einem der Autoren dieses Beitrags nach Besuch zahlreicher Veranstaltungen, Aufführungen, Konzerte und Shows gemacht. Deutsche Zuschauer würden aufmerksam zuhören, über jeden unschuldigen Witz lachen, auch mal weinen, wenn sie etwas Tragisches zu sehen bekommen. Hat ihnen die Vorstellung gefallen, klatschen sie lange, um die Schauspieler zum dritten, fünften und siebten Mal auf die Bühne zu holen. Aber sie bringen keine einzige Rose ins Theater. Falls Sie eine Dame sehen, die wie verrückt zur Bühne mit einem Blumenstrauss eilt, ist es eine russische Touristin oder Zuwanderin.

In Deutschland sind die Geschäfte am Sonntag geschlossen

Nein, es ist schon möglich, auch sonntags etwas zu erwerben: kleine Rund-um-die-Uhr-Läden (Spätkauf oder Spätis genannt), die oft in arabischer oder türkischer Hand sind, sind auch am Wochenende offen. Jedoch kann man dort lediglich das Notwendigste kaufen: Bier, Wasser, Saft, Salz, manchmal Käse, Joghurt und Wurst. Das kostet mehr als in einem Supermarkt und die Auswahl ist gering.

redaktioneller Beitrag
Berlin · 20.07.2017
übersetzt von Elena Nowak,
redigiert von Peter Gärtner
und Elena Nowak


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