Werwolfsmarken: Wenn „Deutsche Qualität“ nicht gleichbedeutend ist mit „Hergestellt in Deutschland“

Sollte man Waren vertrauen, die sich als „Deutsche Qualität“ aus einem Haufen gleichartiger, aber günstigerer Waren abheben? Ist die Bezeichnung eines Produkts als deutsch eine Garantie für seine Herkunft? Und was kann man tun, wenn das angebliche „Hergestellt in Deutschland“ sich als banale asiatische Massenware herausstellt? Lesen Sie in unserem Artikel über deutsche „Werwolfsmarken“ auf dem russischen Markt.

Die Wortschöpfung „Deutsche Qualität“ wird allgemein als Garantie dafür aufgefasst, dass die gekaufte Ware lange und ohne Unterbrechungen verwendet werden kann. Verbraucher reagieren darauf positiv. Das machen sich auch russische Geschäftsleute zunutze, die mit dem Verkauf pseudo-deutscher Marken Gewinn machen wollen. Jedoch fürchten viele deutsche Geschäftsleute, dass das Vortäuschen „deutscher“ Herkunft der Ware am Ende das Vertrauen in die echte deutsche Qualität schwächt.

In Wirklichkeit ist das absolut keine neue Entwicklung im Produktmarketing. Die Chinesen verwenden schon lange ausländisch klingende Namen für Ihre Produkte, und die Russen stehen da nicht hinten an.

Ein besonders bekanntes Beispiel sind die Haushaltsgerätegeschäfte Kaiser, die mit „deutscher Zuverlässigkeit“ der angebotenen Geräte werben. In Deutschland jedoch hat man von ihnen noch nie gehört, obwohl die Firma in der Bundesrepublik sogar registriert ist.

Oder Elektrogeräte der Firma Bork, die vor wenigen Jahren noch unter der Marke Bork Germany verkauft wurden. Die russische Kartellbehörde verpflichtete die Firma, ihre „deutsche Herkunft“ aus dem Namen zu entfernen.

Der Schreibwarenhersteller Erich Krause, der in Russland aus der Fernsehwerbung wohlbekannt ist, hat auch keinerlei Beziehungen zu Deutschland. Es handelt sich um eine rein russische Marke, die Mitte der Neunziger Jahre in Russland registriert wurde.

Fernseher von Rolsen, Schuhe von Thomas Münz, Kleidung von Ralf Ringer, Einbaugeräte von Zigmund & Shtain, Geschirr von Mayer & Boch, Küchenabzugshauben von KRONA Steel, Haushaltsgeräte, die unter den Markennamen Hankel, Weissgauff, Kuppersberg und Gunter & Hauer vertrieben werden — diese und weitere weniger bekannte angeblich deutsche Marken sind in erster Linie in Russland und der Ukraine bekannt und, mit wenigen Ausnahmen, auch dort registriert.

Screenshots der russischen und deutschen Webseite der Firma „Zigmund und Shtain“

Natürlich bedeutet die fehlende deutsche Herkunft nicht automatisch, dass die Qualität unterirdisch ist. Allerdings, da sind wir uns einig, ist es schon ärgerlich, eine Promenadenmischung, wenn auch eine hübsche, als Rassehund verkleidet zu kaufen.

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Handelt es sich bei dem Verkauf von Waren unter pseudo-ausländischen Marken nach russischem Recht nicht um Täuschung des Kunden? Diese Frage haben wir Oleg Sсhukow, Partner in der Moskauer Anwaltskanzlei TM Defence, gestellt.

— Wir müssen verstehen, was der Begriff pseudo-deutsche Marken überhaupt bedeutet. Zum Beispiel, wenn die Firma in Deutschland registriert ist, die Waren aber in China herstellt, dann handelt es sich nicht um einen Verstoß — erklärt Oleg Sсhukow. — In Russland ist es nicht verboten, auf Waren ausländische Worte und Namen abzudrucken. Häufig werden diese Bezeichnungen als Warenzeichen eingetragen, wie zum Beispiel Erich Krause.

— Aber kann der Verbraucher nicht theoretisch klagen, wenn jemand beim Kauf auf „deutsche Qualität“ geachtet hat, das Produkt aber keinem Vergleich gewachsen ist?

— Es ist verboten, die Wortgruppe „Hergestellt in Deutschland“ auf Waren anzubringen, die in anderen Ländern hergestellt wurden. Dies verletzt das Verbraucherschutzgesetz, da es zur Täuschung des Verbrauchers über die Herkunft der Ware führen kann. Außerdem ist dies durch § 14.2 des Wettbewerbsschutzgesetzes verboten und wird als Akt unlauteren Wettbewerbs gewertet. Für derartige Verstöße sind sehr hohe Strafen vorgesehen, die auf der Basis des gesamten Umsatzes der Firma berechnet werden. Deshalb traten an die Stelle von „Hergestellt in Deutschland“ andere Begriffe wie „Deutsche Qualität“, „Sächsische Zuverlässigkeit“, „Italienisches Design“, „Französische Raffinesse“ usw. Es ist sehr schwer, zu bewerten, ob das Produkt der deutschen, amerikanischen oder einer anderen Qualität entspricht, da es sich hierbei um subjektive Einschätzungen handelt. Deshalb wird niemand für solche Begriffe zur Verantwortung gezogen.

— Was können echte deutsche Hersteller tun, wenn auf dem Markt plötzlich ein pseudo-deutsches Produkt mit einem ähnlich klingenden oder identischen Markennamen auftaucht?

— Eine deutsche Firma, die beabsichtigt, auf dem russischen Markt aktiv zu werden, geht folgendermaßen vor:

Zuerst registriert sie ihr Warenzeichen in Russland. Das dauert etwa ein Jahr, diese Prozedur ist aber notwendig, da dieses sonst unlautere Wettbewerber für sich beanspruchen, es gab schon solche Fälle. Außerdem kann man auf russischen Kleidungsmärkten bis heute Turnschuhe der Marke Adibas (die so ähnlich wie die bekannte Sportbekleidungsmarke Adidas klingt) oder Trainingsanzüge von Auma (das A sieht wie das P von Puma aus) finden.

Dann, sollte sich herausstellen, dass das Warenzeichen bereits in Russland registriert ist, muss sie die Annullierung dieses Zeichens beantragen. In diesem Fall muss der Beweis erbracht werden, dass die Firma dieses Produkt schon lange herstellt. Das russische Patentamt und die Gerichte stehen in der Regel auf der Seite des ehrlichen Herstellers und annullieren das Warenzeichen des unlauteren Wettbewerbers.

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Oleg Sсhukow erzählte uns die Geschichte des französischen Mineralwassers Lorina, dessen Importeure direkt auf die Dreistigkeit einer russischen Eintagsfirma trafen, die bei Rospatent das Warenzeichen „Lorina“ registriert und so beim Zoll einen Einfuhrstopp für eine große Charge des französischen Wassers erreicht hatte.

Die Verbrecher verlangten vom rechtmäßigen Hersteller mehrere Tausend Euro für die „Erlaubnis“ zur Einfuhr, die Franzosen fielen darauf aber nicht herein. Vor Gericht setzte die Firma die Annullierung des russischen „Klons“ durch. Das aber geschah nicht gleich: Für die Lösung dieses Problems wurde über neun Monate vor Gericht verhandelt und die Importeure machten dabei einen Verlust von 35.000 Euro. Dafür kann Lorina aber jetzt ungestört auf dem russischen Markt arbeiten.

Screenshot der Internetseite der Firma KRONA Steel

Dies ist, so Oleg Sсhukow, kein Einzelfall. Dieselben Ideendiebe registrierten auf ihren Namen eine ganze Reihe an Warenzeichen „von Gewürzen bis hin zu Arzneimitteln“ und spekulierten darauf, auf Kosten der ausländischen Hersteller dieser Produkte Geld zu verdienen, sobald diese auf den russischen Markt vorstoßen würden. Solche betrügerischen Machenschaften gibt es häufig.

Ausländer lassen sich aber in der Regel nicht erpressen, sondern klären solche Probleme über das Gesetz. „Die ausländischen Firmen, mit denen wir arbeiten, verfolgen eine Politik gegen Lösegelder für Erpresser. Die Erfahrung zeigt, dass das richtig ist. Lösegelder — das ist wie eine Droge. Wenn du einmal damit anfängst, kommst du nicht mehr davon los“, erklärt der Jurist.

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Viele Hersteller haben gelernt, das Wettbewerbsschutzgesetz mithilfe geschickter Tricks zu umgehen, die weiter oben beschrieben wurden. Deshalb sollten Sie vor dem Kauf eines Herdes oder einer Waschmaschine von „Deutscher Qualität“ nicht aus Bequemlichkeit darauf verzichten, zu klären, ob es sich wirklich um eine deutsche Marke handelt.

Auf eine direkte Frage wird der Verkäufer Sie höchstwahrscheinlich davon überzeugen, dass das der Fall ist. Jedoch gibt es eine Reihe von Anzeichen, anhand derer Sie erkennen können, dass Sie getäuscht werden.

Erstens: Das Fehlen von Beschreibungen und Informationen über die Marke im nichtrussischen Teil des Internets. Das bedeutet, Neuigkeiten, Bewertungen usw. sind nur in russischer Sprache zu finden.

Zweitens: Das Fehlen von Links auf die Webseite der „Mutterfirma“. Alle Kontaktdaten von pseudo-ausländischen Firmen laufen in einem russischen Call-Center und unter einer russischen Adresse zusammen.

Drittens: Sollte die Firma eine deutsch- oder englischsprachige Version ihrer Webseite besitzen, rufen Sie sie auf. Häufig ist die fremdsprachige Version nicht fertig oder wird nicht aktualisiert, und in den Texten finden sich grammatikalische Fehler wie „Rusia“ statt „Russia“ oder ähnliches.

Im Endeffekt sollten Sie im Internet viel über die ausgewählte Marke lesen: Viele Internetnutzer jagen schon lange „Geister“ pseudo-ausländischer Firmen in Russland und enttarnen sie gerne im Netz.

Maria Pawlowa · Berlin · 05.10.2016 ■


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übersetzt von german-russian.ru